Guten Tag NPD-Wähler!

Dies ist die Antwort, die ich an einen NPD-Wähler formuliert habe (dessen Frage ich hier aber nicht veröffentlichen werde), der an die Piratenpartei Deutschland Fragen nach „Ausländerpolitik“, Chancengleichheit und Moscheenbau gestellt hat und über die SG Programm beantwortet wurde :

Guten Tag,

danke für Ihre Fragen. Zu aller erst möchte ich Ihnen eine persönliche Ansicht mitgeben. Die NPD hat im Land Sachsen-Anhalt, in dem ich lebe, zur Landtagswahl 2011 große Geschütze aufgefahren, um in den Landtag zu kommen. Mit ausländerfeindlichen Parolen wie „Ausländer raus“ bei dem das Wort „kriminell“ davor stand, aber extrem klein geschrieben war, hetzte die NPD gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Interessanterweise ist Sachsen-Anhalt das Bundesand mit dem geringsten Anteil an Migrant_innen (1,8 % im Jahr 2009). Ähnlich sieht es auch mit anderen Bundesländern aus, in denen die NPD viele Wählerstimmen bekam z.B. Mecklenburg-Vorpommern (2,3 %), Sachsen (2,7 %) oder Brandenburg (2,6 %).
Die NPD wird also nicht gewählt, weil es wirklich Probleme mit „Ausländern“ gibt, sondern weil soziale Probleme herrschen (Arbeitslosigkeit, Abwanderung) und viele Menschen kein Vertrauen mehr in die etablierte Politik haben.
Die Chancengleichheit aller Bewerber_innen ist ein hohes Gut und wir Piraten wollen, dass Menschen bei gleicher Qualifikation nicht wegen ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihres Alters o.ä. benachteiligt werden. So erklärt bereits das Grundgesetz in Artikel 3, dass alle Menschen gleich sind und niemand benachteiligt werden darf. Im Grundsatzprogramm hat sich die Piratenpartei zu Migration als Bereicherung unserer Gesellschaft positioniert und sieht Menschen mit Migrationshintergrund nicht als „fremd“ an. Sie sind Teil unserer Gesellschaft, wie alle anderen auch und schließlich würden wir auch erwarten, in anderen Ländern gleich behandelt zu werden.
Zum Thema Moscheen hat die Piratenpartei Deutschland bisher keine Position verabschiedet, allerdings steht sie für eine Trennung von Staat und Religion. Jedoch muss gewährleistet sein, dass auch Muslime ihrem Glauben nachgehen dürfen, so wie christliche Gläubige überall in Kirchen gehen können. Christen gibt es in fast jedem Land dieser Erde, ebenso wie für sie gebaute Gotteshäuser. Es ist wichtig, dass die Religionsfreiheit auch in Deutschland weiterhin gewährleistet bleibt.

Hinter den Aussagen der NPD in ihren Wahlprogrammen stecken meist nur Populismus und bewusste Täuschungsversuche. So setzt sich diese Partei für ein „Muttergeld“ und höheres Kindergeld ein, allerdings nicht für Kinder und Familien mit Migrationshintergrund. In keinem Bundesland konnte die NPD bisher irgendwelche politischen Akzente setzen, sondern fiel nur durch Negativschlagzeilen auf. Eine Mitgestaltung unserer Demokratie für alle Menschen lehnt die NPD ab und gehört damit auch nicht zum Spektrum der Parteien, die gesellschaftliche Teilhabe, Toleranz und Respekt fördern wollen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen und würde mich freuen dies auch bei weiteren Fragen tun zu können.

Mit besten Grüßen
Stephan Schurig

„Vorsprung durch Technik. Über die Piratenpartei“

„Vorsprung durch Technik“, so hieß ein Vortrag letzte Woche vom Bahamas-Redakteur Sören Pünjer, welcher von der AG Antifa der MLU Halle-Wittenberg organisiert wurde. Ich möchte hier meine persönlichen Eindrücke des Vortrages darstellen und auf einige Thesen des Referenten eingehen.

Das Referat bzw. die Argumentation selbst war in sich nicht wirklich konsistent. Pünjer zitiert mal einen FOCUS-Artikel, mal einen Wahlprogrammpunkt aus dem Jahre 2010, der mittlerweile nicht mehr existiert oder eine Neu-Piratin ohne eine Quellenangabe ihrer Aussagen zu nennen. Danach wusste er meist ein Zitat von Theodor W. Adorno, Sigmund Freud etc. einzuwerfen, um dann nochmal über Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ oder George Orwells „1984“ zu philosophieren. Am Ende folgte immer eine generalisierte Aussage über die Piratenpartei, ohne sie wirklich belegen zu können. Lediglich seine willkürlich eingestreuten Quellen sollten seine Thesen untermauern. Symbolisch steht dabei seine Aussage über „das“ Video der Gruppe Anonymous zu ACTA. Ein Beweis, dass er die Dezentralität dieses losen Zusammenschlusses von Internetaktivist_innen nicht verstanden hat.

Seine Hauptkritik bestand darin, die Piraten als softwaregläubig darzustellen, indem wir unsere Politik durch unser Meinungsfindungstool „Liquid Feedback“ erarbeiten. Kein Wort dazu, dass es die Piraten sind, die dieses Tool nach ihren Wünschen gestalten, dass es legidlich zur Meinungsfindung dient und immer einen Parteitag brauch, um Themen in ein Programm aufzunehmen. Liquid Feedback ist nicht bindend, doch davon kein Wort des Referenten.

In diesem Kontext argumentiert Pünjer, die Kommunikation von Piraten würde nur noch über Facebook und Twitter ablaufen. Dabei zeigt sich, dass er auch diesmal sich kaum mit den Strukturen der Piraten beschäftigt zu haben scheint. Parteiintern nutzen wir Mailinglisten, Mumble (ähnlich wie Skype), die Piratenpads genau so wie Stammtische, Arbeitstreffen , Podiumsdiskussionen etc. Der Hinweis, sich nicht rein auf virtuelle Kommunikation zu verlassen (fehlende Emotionen etc.) ist wichtig, aber auch keine Neuigkeit für die Piraten.

Auch das Thema „Post-Gender“ möchte ich noch einmal ansprechen. Er wirft uns vor stark männlich geprägt zu sein, ohne seine eigene „Szene“ der Antideutschen selbst zu reflektieren. Die Piratenpartei ist nicht post-gender, sondern sie sieht es als Ideal an. Ein Zweigeschlechtersystem, in dem lediglich Männer und Frauen existieren bzw. eine rechtliche Stellung besitzen, lehnen wir ab. Die Verankerung dieser Vorstellung in den Köpfen können wir aber nicht von heute auf morgen abschaffen. So sind Piraten auch gegen eine Frauenquote, weil sie die Dichotomie Mann – Frau verstärkt und nicht durchbricht. Forderungen nach Quoten für Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle oder andere Geschlechtsidentitäten existieren in der Politik nicht.

Pünjer scheint große Probleme mit der Basisdemokratie zu haben. Er verweist relativ unspezifisch auf die Geschichte, lässt aber genaueres außen vor. Mir kam sofort das Bild eines Stadtarchivs in Nienburg (Saale) auf, in dem ich Akten las, die eine über 80%-ige Wahlbeteiligung um 1930/34 herum aufwiesen. Ist das seine Angst vor der „Tyrannei der Massen„, wie es FDP-Generalsekretär Patrick Döring so schön formulierte? Ich gestehe, dass wir Piraten eine sehr optimistische Herangehensweise an die (Basis-)Demokratie haben, indem wir von einem positiven Menschenbild und einer gewissen Informiertheit der Bürger_innen ausgehen. Warum bspw. Minderheitenschutz und Basisdemokratie nicht miteinander vereinbar sein sollen, lassen sowohl Pünjer, als auch andere Kritiker_innen unbeantwortet. Gleichzeitig wehrt sich Pünjer sogar dagegen, dass sich Menschen nicht als Individuum, sondern als Gruppierungen politisch vertreten (lassen). Auf die Frage, wie denn seine Form der Demokratie aussehen würde, antwortete er kryptisch, dass sich Menschen nur als Individuum vertreten sollten und niemand mehr für Minderheiten und/oder Mehrheiten. Dabei bleibt unklar, ob Pünjer sich mit seiner Forderung noch innerhalb eines demokratischen Systems (z.B. durch Wahlen des Volkes) bewegt, oder ob er damit eher staatliche Strukturen ablehnt (z.B. Anarchismus). Nicht zuletzt stellt sich mir die Frage, inwiefern sich die Individuen einer Gesellschaft, in der die Identifikation zueinander (Wir – Andere) wohl schon immer existierte, überhaupt nur für ihre individuellen Bedürfnisse einsetzen würde. Eltern werden für die Rechte ihrer Kinder eintreten, Religionsgruppen für ihre Gläubigen etc.

Viele Fragen blieben mir unbeantwortet und zeugten davon, dass es dem Referenten nicht um eine konstruktive Diskussion ging. Als ein Pirat ihm das Angebot unterbreitete, in Dialog mit den Piraten zu treten, um seine Bedenken zu diskutieren, antwortete er mit „Das nehme ich zur Kenntnis“. Auf die Frage, ob er seine Thesen in Gesprächen mit Piraten einmal überprüft habe bzw. mit wievielen er sich schon unterhalten hat, gab er zu, dass seine Primärquellen verschiedene Onlinemedien der Presse und der Piraten war. An einem Dialog scheint Sören Pünjer als nur bedingt interessiert zu sein.

Crossposting auf der PiratenHalle-Seite