Barrieren und Barrierefreiheit

Wenn man sich mal eine Barriere vorstellt, dann ist dies meist eine Art Schranke, Absperrung oder Abzäunung, die uns in den Sinn kommt. Unser Leben ist voller Barrieren, wenngleich uns viele nicht bewusst als solche vorkommen oder aber für uns persönlich keine Barriere bedeuten, aber für andere Menschen. Eine historisch gewachsene Barriere stellen administrative Grenzen dar, die dazu führen, dass Menschen sich nicht frei auf der Welt bewegen können. Während man mit deutscher Staatsbürgerschaft in fast alle Länder dieser Erde reisen kann, gibt es Länder, die z.B. gewissen Nationalitäten die Einreise am Flughafen ohne Visum verwährt (Beispiel Nepal) oder die Einreise für Staatenlose generell verweigert.

Relativ bekannt sind Barrieren im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderung. So ist eine Treppe für einen Rollstuhlfahrer eine Barriere, die er kaum überwinden kann oder ein normales Buch eine Barriere für eine Blinde, weil es für sie nicht möglich ist es zu lesen. Man könnte argumentieren, dass Menschen behindert sind, weil es Barrieren gibt, die sie nicht überwinden können. Tatsächlich sind Menschen aber nur in wenigen Fällen „von Natur aus behindert“, sondern werden behindert. Die Treppe stellt eine Barriere dar, eine Rampe hingegen nicht. Architektonische Merkmale bestimmen hier über die „Behinderung“. Ähnliches gilt für die Blinde, die mit keiner Barriere zu kämpfen hätte, wenn es das gleiche Buch in Brailleschrift gäbe.

Es gibt viele Versuche diese und Behinderung in Gruppen einzuordnen:

Beispiel 1:

  • vertikal: Stufen, Schwellen, Bordsteine, Treppen …
  • horizontale: Schmale Türen, enge Gänge und Passagen …
  • räumlich: zu kleine Räume, zu wenig Bewegungsfreiheit …
  • anthropometrisch: Griffe zu hoch, zu niedrig, Mobiliar und Einrichtung auf der falschen Höhe
  • ergonometrisch: fehlende Handläufe, keine Stützgriffe …
  • sensorisch: Schlecht lesbare Informationen, ungenügend Licht, wenig Kontraste …
  • Verständnis: Analphabetismus, geistige Behinderung, fremdsprachig …

(nach Dienststelle für Personen mit Behinderung)

Beispiel 2:

  • körperliche Behinderung
  • Sinnesbehinderung (Blindheit, Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit, Taubblindheit)
  • Sprachbehinderung
  • psychische (seelische) Behinderung
  • Lernbehinderung
  • geistige Behinderung

(nach Wikipedia)

Beispiel 3:

  • geräteabhängig: Ein-/Ausgabegerät, Betriebssystem, Browser, Auflösung …
  • visuell: Alter, Sonneneinstrahlung, Müdigkeit …
  • akustisch: Alter, Taubheit, Geräuschkulisse …
  • motorisch: Krankheit, Bettlägerigkeit, Platzmangel …
  • sprachlich: Lernbehinderung, Fremdsprache, Internetunerfahren …
  • kognitiv: eingeschränkte Aufnahme und Verarbeitung von Informationen …

(nach die-barrierefreie-website.de)

Doch so einfach ist es nicht immer. Während es für viele Behinderungen diverse Vorschläge gibt, um Barrieren abzubauen, so sind gerade mehrfach- und schwerst(mehrfach)behinderte Menschen oder jene mit starken psychischen „Störungen“ häufig auf Hilfe angewiesen. Wo jeder Schritt oder Handschlag im Alltag bereits eine Barriere darstellt, ist ein breites Hilfeangebot notwendig. Für so manche Person wird bspw. die persönliche Assistenz eine selbstbestimmten Form eigener Arbeitgeber zu sein, wenngleich sie noch mit diversen Problemen zu kämpfen hat. Dass einige Menschen dieses Angebot nicht nutzen werden oder können, ist wohl aber sicher.

So umfangreich das Thema ist und so schwierig insbesondere Mehrfachbarrieren sein können, so sehr ist es vonnöten Ideen zu sammeln, um diese Probleme anzugehen. Die Barrierefreiheit in der Theorie ist ein Idealismus, der in der Praxis eher durch das Streben nach Barrierearmut gerecht werden wird. Aber genau dort stellt sich die Frage, wie insbesondere im öffentlichen Raum (multiple) Barrieren abgebaut oder ersetzt werden können.

Falls ihr Ideen, Kommentare oder Kritik habt könnt ihr sie hier oder gleich euch bei der AG Barrierefreiheit der Piraten loswerden (dafür müsst ihr nicht Mitglied sein!).

Gerichtsurteil zur „Scheinminderjährigkeit“

Rechtsanwalt Udo Vetter hat heute darauf hingewiesen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden hat, dass eine „Scheinminderjährigkeit“ bei Erotikangeboten weder strafbar ist, noch aus dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) abgeleitet werden kann.

Scheinminderjährigkeit bezeichnet die Tatsache, dass ein/e DarstellerIn trotz Erreichen der Volljährigkeit als jünger (und damit minderjährig) eingeschätzt wird. D.h. im Klartext, dass sich jede/r strafbar machen würde, der pornographische oder erotische Bilder besitzt, die scheinbar minderjährige DarstellerInnen zeigt, unerheblich wie alt sie wirklich sind!

Die gesetzlichen Grundlagen wurden im November 2008 gelegt und werden sehr ausführlich im Blog von Karl Weiss dargestellt und diskutiert (Anm.: „Public-Domain“-Beispiele von Nudisten-Photos zur Veranschaulichung enthalten – NSFW!).

Im Jahr 2009 veröffentlichte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) einen gutachtlichen Kritierienkatalog zur Scheinminderjährigkeit im Rahmen des Strafverbots der Jugendpornographie. Darin werden Auszüge des Gesetzentwurfs des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates der EU vom Dez 2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie wiedergegeben, wonach bspw. ein Kinde „jede Person unter achtzehn Jahren“ ist (Art. 1 a) und unter Kinderpornographie u.a. auch pornographische Darstellungen „von echten Personen mit kindlichem Erscheinungsbild“ (Art. 1 b ii) bzw. „von realistisch dargestellten, nicht echten Kindern“ (Art. 1 b iii) subsummiert wird (S. 4). In dem Bericht wird Scheiminderjährigkeit folgendermaßen definiert:

Scheinminderjährig sind Darstellerinnen und Darsteller in pornographischen Medien, wenn sie aus Sicht eines objektiven, verständigen Betrachters nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und nach der Art und Weise der Inszenierung den Gesamteindruck einer minderjährigen Person (unter 18 Jahren) erwecken; das tatsächliche Alter ist insoweit unerheblich.

Nach dem Gutachten sind folgende „Kriterien zur Prüfung des Verdachtes auf Minderjährigkeit“ (S. 10-13) zu überprüfen:

1. Körperliche Merkmale

  • Gesichtsproportionen („relativ rundliches Gesicht“, „relativ große Augen“, „relativ kleine Nase (Stupsnase)“ etc.)
  • Körperproportionen
  • Geschlechtsmerkmale (Brustentwicklung, Genitalentwicklung, Körperbehaarung etc.)

2. Ausstattungsmerkmale mit Personenbezug

  • Gestalterische Merkmale („Zöpfe, angeschminkte Sommersprossen oder ‚rote Bäckchen‘ auf den Wangen, Zahnspange, Lutscher, Schnuller, Zuckerstange, Puppen“ etc.)
  • Bekleidung (z.B. Schuluniformen)
  • Habitus und Sprache („übertrieben pubertierendes Verhalten; schüchterne Zaghaftigkeit bei sexuellen Handlungen“ etc.)
  • Schriftlich oder verbale Hinweise (z.B. „Seventeen“, „17“, „Teen“)
  • Rollenzuweisung (z.B. Kinderrolle, Schülerolle)

3. Ausstattungsmerkmale ohne Personenbezug

  • Szenarische Ausgestaltung des Drehortes (z.B. Schule, Jugendzentrum, Unterricht u.v.a.m.)
  • Schriftliche und verbale Hinweise (z.B. „Nach der Schule…“)
  • Verwendung von jugendtypischen Accessoires im Bildhintergrund (Poster, Spielzeug, Puppen etc.)
  • Akustische Inszenierung

Wenn während des Überprüfungsprozesses der körperlichen Merkmale Zweifel nicht ausgeräumt werden können, so werden die Ausstattungsmerkmale mit Personenbezug und ggf. dann noch Ausstattungsmerkmale ohne Personenbezug untersucht.

Nach diesen Kriterien dürfte es viele „Scheinminderjährige“ in Pornos geben, denn es wird klar, dass diese Kritieren alles andere als „objektiv“ und „verständig“ sind. Hiermit werden klare Grenzen verwischt, sodass sich eine rechtliche Absicherung für ProduzentInnen, AnbieterInnen und KonsumentInnen kaum noch aufrecht halten lässt. Der Vertrieb bzw. Besitz von legalem Material wird zunehmend in eine Grauzone verlagert, welche „nach allgemeiner Lebenserfahrung“ (S. 9) bzw. „bereits vorhandene medizinische Erkenntnisse über Entwicklungsstadien und Ausprägungen“ (ebd.) vermeintlich objektiviert festgestellt werden soll.

Das Bayerische VGH entschied, dass es „auch keine Täuschung über das Alter [sei], wenn die Darsteller als jung inszeniert würden.“ Allerdings ist dabei eine Kennzeichnung, dass die DarstellerInnen nicht minderjährig sind, notwendig. In einem Kommentar stellt Udo Vetter aber noch einmal klar, dass dieses Urteil lediglich Auswirkungen auf Softcore-Erotik haben wird, jedoch nicht auf sog. Jugendpornographie.