Die „Genderproblemlösungsstrategie“ oder „Wieso überhaupt gendergerechte Sprache?“

Nach einem Posting auf einer Mailingliste, in der die „Genderproblemlösungsstrategie“ in Form des Mozilla Firefox  bzw. Google Chrome Addons Binnen-I be gone gepostet wurde, hab ich mich dazu hinreißen lassen, mal etwas mehr dazu zu schreiben:

Ich finds immer wieder traurig, wie unsachlich sich manche hinsichtlich des Genders äußern. Ich möchte mal alle männlichen Kritiker sehen, die aufheulen würden, wenn man sie Kritikerinnen bezeichnet. Aber stimmt, Frauen sind ja so bevorzugt in unserer Gesellschaft, warum sollten wir sie überhaupt mitnennen (nennt sich übrigens generisches Maskulinum, was sprachwissenschaftlich auch sehr umstritten ist).

Und dann noch der Ausschluss von Menschen, die sich nicht einem der beiden Geschlechter zuordnen lassen wollen. Unser zweigeschlechtliches Wertesystem ist aufgrund biologistischer Theoreme entworfen wurden, die bei genauer Betrachtung dieses auch nicht stützt (siehe dazu bspw. den Vortrag eines Biologen über die Konstruktion des biologischen Geschlechts). Die Biologie und Medizin kennt Intersexualität (Zwitter) in verschiedensten Ausprägungen und die Ethnologie hat viele Beispiele parat von Gesellschaften, die nicht auf lediglich zwei Geschlechter aufbaut. Letztendlich ist Sprache in sozialwissenschaftlichen Theorien eine Form der Herstellung und Reproduktion von Macht, Hierarchien und Ungleichheiten. Wenn ich Menschen sprachlich unterteile, stecke ich sie Kategorien, d.h. nicht sie sind diejenigen, die über ihre Geschlechteridentität die Definitionshoheit haben, sondern andere. Der deutsche Staat erhebt nur zwei Geschlechter bei Menschen. D.h. sich als intersexuell, transsexuell, transgender oder sonstewas zu definieren ist zwar erlaubt, wird aber vom Staat dahingehend nicht anerkannt. Männer müssen sich nicht rechtfertigen, wieso sie als Mann bezeichnet werden wollen, aber Transfrauen müssen sich rechtfertigen, warum sie als „geborener Mann“ nun als Frau verstanden werden will. Nur mal ein Fun Fact, bis 2011 mussten sich gesunde Transsexuelle die keine Geschlechtsangleichung gemacht haben sterilisieren lassen! Aber das interessiert ja keinen, der keine Geschlechter“störung“ (es als Krankheit darzustellen zeigt, dass ein gesellschaftliches Stigma herrscht, wie bis in die 60er Jahre bei Homosexualität) besitzt.
Sprache bedeutet Einschluss oder Ausschluss und jede_r kann entscheiden, ob ihr/sein „literarisches Auge“ mehr geschädigt wird, als es für sinnvoll erachtet wird nicht nur von (männlichen) Politikern oder im nächsten Schritt zusätzlich von weiblichen Politikerinnen zu sprechen, sondern vielleicht eine eine gänge Methode zu nutzen, um auch Menschen einzubeziehen, die sich nicht einer dieser beiden Kategorien zuweisen lassen wollen (Politiker_innen, Politiker*innen, PolitikerInnen etc.).

Wir alle wissen welche Macht Sprache besitzt und wir benutzen sie täglich, um alle Menschen um uns herum zu „manipulieren“ (das ist das, was Kommunikation immer macht). Wir können entscheiden, wie wir unsere gesellschaftliche Realität hin manipulieren wollen. Ob wir Inklusion oder Exklusion wollen. Und häufig sind wir uns solchen Dingen nicht bewusst, weil wir nie in solch eine Situation kommen ausgeschlossen zu werden, bspw. als Frau die weil sie eine Frau ist keine Führungsposition bekommt, als Kind das von Wahlen ausgeschlossen wird, als Gehörlose_r der/die keine Untertitel in öffentlich-rechtlichem Fernsehen trotz GEZ-Gebühren ab dem Jahr 2013 bekommt, als Blinde_r dem/der öffentliche Informationen nicht barrierefrei zur Verfügung gestellt werden oder als Rollstuhlfahrer_in, für den/die es keine Rampe gibt.

Es ist wichtig darüber zu diskutieren, ob und warum wir ALG-II-Bezieher_innen nicht Hartz-4-er , Migrant_innen nicht Ausländer, Menschen mit körperlicher Behinderung nicht Krüppel oder Invalide („Wertlose“) bzw. Menschen mit „geistiger Behinderung“ nicht Irre, Schwachsinnige oder Geisteskranke genannt werden sollten. Und wenn, dann sollten nur sie sich so nennen dürfen (Emanzipation, Empowerment, Selbstbestimmung etc.).

Sprache ist einer unserer stärksten Machtmittel überhaupt.

Gerichtsurteil zur „Scheinminderjährigkeit“

Rechtsanwalt Udo Vetter hat heute darauf hingewiesen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden hat, dass eine „Scheinminderjährigkeit“ bei Erotikangeboten weder strafbar ist, noch aus dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) abgeleitet werden kann.

Scheinminderjährigkeit bezeichnet die Tatsache, dass ein/e DarstellerIn trotz Erreichen der Volljährigkeit als jünger (und damit minderjährig) eingeschätzt wird. D.h. im Klartext, dass sich jede/r strafbar machen würde, der pornographische oder erotische Bilder besitzt, die scheinbar minderjährige DarstellerInnen zeigt, unerheblich wie alt sie wirklich sind!

Die gesetzlichen Grundlagen wurden im November 2008 gelegt und werden sehr ausführlich im Blog von Karl Weiss dargestellt und diskutiert (Anm.: „Public-Domain“-Beispiele von Nudisten-Photos zur Veranschaulichung enthalten – NSFW!).

Im Jahr 2009 veröffentlichte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) einen gutachtlichen Kritierienkatalog zur Scheinminderjährigkeit im Rahmen des Strafverbots der Jugendpornographie. Darin werden Auszüge des Gesetzentwurfs des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates der EU vom Dez 2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie wiedergegeben, wonach bspw. ein Kinde „jede Person unter achtzehn Jahren“ ist (Art. 1 a) und unter Kinderpornographie u.a. auch pornographische Darstellungen „von echten Personen mit kindlichem Erscheinungsbild“ (Art. 1 b ii) bzw. „von realistisch dargestellten, nicht echten Kindern“ (Art. 1 b iii) subsummiert wird (S. 4). In dem Bericht wird Scheiminderjährigkeit folgendermaßen definiert:

Scheinminderjährig sind Darstellerinnen und Darsteller in pornographischen Medien, wenn sie aus Sicht eines objektiven, verständigen Betrachters nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und nach der Art und Weise der Inszenierung den Gesamteindruck einer minderjährigen Person (unter 18 Jahren) erwecken; das tatsächliche Alter ist insoweit unerheblich.

Nach dem Gutachten sind folgende „Kriterien zur Prüfung des Verdachtes auf Minderjährigkeit“ (S. 10-13) zu überprüfen:

1. Körperliche Merkmale

  • Gesichtsproportionen („relativ rundliches Gesicht“, „relativ große Augen“, „relativ kleine Nase (Stupsnase)“ etc.)
  • Körperproportionen
  • Geschlechtsmerkmale (Brustentwicklung, Genitalentwicklung, Körperbehaarung etc.)

2. Ausstattungsmerkmale mit Personenbezug

  • Gestalterische Merkmale („Zöpfe, angeschminkte Sommersprossen oder ‚rote Bäckchen‘ auf den Wangen, Zahnspange, Lutscher, Schnuller, Zuckerstange, Puppen“ etc.)
  • Bekleidung (z.B. Schuluniformen)
  • Habitus und Sprache („übertrieben pubertierendes Verhalten; schüchterne Zaghaftigkeit bei sexuellen Handlungen“ etc.)
  • Schriftlich oder verbale Hinweise (z.B. „Seventeen“, „17“, „Teen“)
  • Rollenzuweisung (z.B. Kinderrolle, Schülerolle)

3. Ausstattungsmerkmale ohne Personenbezug

  • Szenarische Ausgestaltung des Drehortes (z.B. Schule, Jugendzentrum, Unterricht u.v.a.m.)
  • Schriftliche und verbale Hinweise (z.B. „Nach der Schule…“)
  • Verwendung von jugendtypischen Accessoires im Bildhintergrund (Poster, Spielzeug, Puppen etc.)
  • Akustische Inszenierung

Wenn während des Überprüfungsprozesses der körperlichen Merkmale Zweifel nicht ausgeräumt werden können, so werden die Ausstattungsmerkmale mit Personenbezug und ggf. dann noch Ausstattungsmerkmale ohne Personenbezug untersucht.

Nach diesen Kriterien dürfte es viele „Scheinminderjährige“ in Pornos geben, denn es wird klar, dass diese Kritieren alles andere als „objektiv“ und „verständig“ sind. Hiermit werden klare Grenzen verwischt, sodass sich eine rechtliche Absicherung für ProduzentInnen, AnbieterInnen und KonsumentInnen kaum noch aufrecht halten lässt. Der Vertrieb bzw. Besitz von legalem Material wird zunehmend in eine Grauzone verlagert, welche „nach allgemeiner Lebenserfahrung“ (S. 9) bzw. „bereits vorhandene medizinische Erkenntnisse über Entwicklungsstadien und Ausprägungen“ (ebd.) vermeintlich objektiviert festgestellt werden soll.

Das Bayerische VGH entschied, dass es „auch keine Täuschung über das Alter [sei], wenn die Darsteller als jung inszeniert würden.“ Allerdings ist dabei eine Kennzeichnung, dass die DarstellerInnen nicht minderjährig sind, notwendig. In einem Kommentar stellt Udo Vetter aber noch einmal klar, dass dieses Urteil lediglich Auswirkungen auf Softcore-Erotik haben wird, jedoch nicht auf sog. Jugendpornographie.