Eindrücke der Podiumsdiskussion am Heinrich-Heine-Gymnasium in Wolfen am 17. April 2013

Eindrücke der Podiumsdiskussion in dem Heinrich-Heine-Gymnasium in Wolfen am 17. April 2013

Disclaimer: Diese Eindrücke sind höchst subjektiv und selektiv. Keine Gewährleistung auf Vollständigkeit 😉

Die Veranstaltung war so angedacht, dass sich Politiker*innen aller Parteien den Fragen der Schüler*innen der neunten Klassen stellen konnten. Ingesamt waren zwei Vertreter der CDU, zwei der Piraten, einer der Grünen sowie jeweils eine Vertreterin der Linken und der SPD vor Ort. Nach einer Vorstellungsrunde startete die erste Runde mit der Frage, wie sich die Parteien bzgl. der Homo-Ehe positionieren würden. Die Vertreter der CDU erklärten, dass „jeder nach seiner Fasson leben“ könne, die Sonderstellung und Privilegierung allerdings nicht abgeschafft werden soll. Dieser Ansicht widersprachen eigentlich alle Parteivertreter*innen und rückten dabei den Fokus auf Themen wie Besteuerung (Ehegattensplitting) oder Adoption.

Auf die Frage, ob zwei Väter nicht „anders“ erziehen würden als Vater und Mutter, versuchte ich darzulegen, dass die Art der Erziehung weniger vom Geschlecht abhängig ist, als eher vom einzelnen Elternteil und dessen Lebensumständen. Weiterhin versuchte ich aufzuzeigen, dass unsere Gesellschaft in den zwei Geschlechterkategorien „Mann“ und „Frau“ denkt und dabei Menschen, die sich nicht (eindeutig) darin verorten können oder wollen, ausschließt. In dem Kontext stellte ich die These des Grünen-Vertreters infrage, der meinte, dass wir PIRATEN uns als postgender bezeichnen würden. Als Vergleich erklärte ich, dass z.B. das Streben nach einer diskriminierungsfreien Gesellschaft auch ein Fernziel sei, was wir in unserem Leben nicht erreichen werden. Dahingehend ist es zwar unsere Vision, eine Gesellschaft zu haben, in der jeder Mensch seine geschlechtliche Identität frei ausleben darf, gleichzeitig sind wir uns der bestehenden Formen von geschlechtsspezifischen Diskriminierungen bewusst.

Am Ende des ersten Teils wollten einige Parteivertreter*innen die Schüler*innen fragen, ob sie sich mit dem geplanten Wiederaufleben des Jugendparlaments vorstellen könnten, dort mitzuarbeiten. Aus empirischen Studien ist tendenziell ersichtlich, dass Jugendparlamente nur funktionieren, wenn sie maßgebliche Beteiligungsmöglichkeiten in den Gemeinde- oder Stadträten haben. Wenn Parlamente nicht verpflichtet sind, ausgearbeitete Anträge von Jugendparlamenten zu behandeln, bleiben diese lediglich Makulatur und führen eher zu Frustration bei den Jugendlichen als zu mehr Demokratie. Mein Appell an die Schüler*innen lautete: Fordert in eurer Schule, eurem Verein und selbst in der eigenen Familie mehr Demokratie ein, denn Demokratie beginnt nicht erst in den Parlamenten.

Nach einer Pause kam eine zweite Gruppe der neunten Klassen an die Reihe. Auch hier wurde mit der Frage nach der Homoehe begonnen, wobei die Antworten noch einmal kurz zusammengefasst wurden. Ein weiteres Mal stießen die Aussagen der CDU-Vertreter auf Unverständnis bei den Schüler*innen. Auf die Frage, warum die Schüler*innen genau uns als Partei wählen sollten, antwortete ich, dass wir uns als Bewegung verstehen, die sich notgedrungen die Form der Partei ausgesucht hat, um aktiv in den Parlamenten politische Änderungen herbeizuführen. Wir wollen der Prototyp bzw. eine Alpha-Version für eine zukünftige Gesellschaft sein, in der Mittel zur direkten Demokratie und Mitbestimmung eine Grundvoraussetzung darstellen.

Als letzte Frage wurden die Positionen der Parteien zum NPD-Verbot abgefragt. Dabei wurden eigentlich alle gängigen Argumente von allen Vertreter*innen genannt. Ich verwies darauf, dass die PIRATEN bisher keine Position beschlossen haben, unter dem Hinweis, wie demokratische Prozesse innerhalb unserer Partei funktionieren und, dass jedes Mitglied ohne große Hürden mitmachen kann. Als Abschluss warnte ich davor, das NPD-Verbot überzubewerten, da Alltagsrassismus weiterhin ein großes Problem darstellen wird und weiterhin massiv, insbesondere in den Bildungseinrichtungen, bekämpft werden muss.

Da es meine erste Podiumsdiskussion war, hat mich das Feedback der Schüler*innen sowie der Lehrerin sehr glücklich gemacht. Nicht nur, dass bei einigen Redebeiträgen von uns von vielen geklatscht wurde, sondern auch, dass wir für die Lehrerin ein sehr positives Bild der Piratenpartei vermitteln konnten, welches zumindest durch die Öffentlichkeit und die Medien getrübt war.

Zu meiner Kandidatur zur Bundestagswahl

Da hier in nächster Zeit womöglich einige Menschen eintrudeln werden, die sich über mich informieren wollen, werde ich hier meine Bewerbung zur Bundestagswahl crossposten:

Liebe Piraten,

hiermit gebe ich offiziell meine Kandidatur für die Landesliste Sachsen-Anhalt zur Bundestagswahl 2013 bekannt.

Über mich

Ich bin 28 Jahre alt und befinde mich am Ende meines Studiums der Geographie (Diplom) mit den Nebenfächern Soziologie und Ethnologie. Geboren und aufgewachsen bin ich in Bernburg, wo ich im März 2003 mein Abitur absolvierte. Anschließend trat ich als freiwillig länger dienender Wehrdienstleistender meinen Wehrdienst in der Flugabwehr-Aufklärungsbatterie 100 in Fuldatal-Rothwesten (bei Kassel) an. Im Oktober 2004 begann ich mein Studium der Diplom-Geographie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Zu Beginn wählte ich meine Nebenfächer Soziologie und Betriebswirtschaftslehre (BWL), tauschte letzteres im zweiten Semester zu Volkswirtschaftslehre (VWL) bis sich mir die Möglichkeit geboten hatte, das Fach Ethnologie im achten Semester als endgültiges zweites Nebenfach zu wählen. Ich fand zu den Wirtschaftslehren nur wenig Zugang und interessierte mich viel mehr dafür, wie unsere und andere Gesellschaften und Kulturen „funktionieren“.

Politik und die Piraten

Meine politische Sozialisation begann wohl schon mit diversen Familiengeburtstagen, auf denen meine Familie oft über viele gesellschaftliche und politische Missstände diskutierte. So sehr interessierte mich Politik zu dieser Zeit außerhalb des Sozialkundeunterrichts jedoch nicht. Mein erster Computer war ein „286er“ (Intel 80286) und bereits in meiner Kindheit machte ich die ersten Schritte ins World-Wide-Web. Unzensiert und in Farbe. Meine Eltern beschränkten mich nicht, sodass ich mir über viele Jahre mein eigenes Bild von diesem „Internet“ machen konnte.

Bis ins Jahr 2009 liebäugelte ich mit den Grünen, habe mich aber nie durchgerungen, Mitglied zu werden. Schließlich hatte ich sie endgültig abgeschrieben, als sich am 18. Juni 2009 insgesamt 15 von 38 Grünen-Abgeordneten bei der Abstimmung über Internetsperren enthielten, statt dagegen zu stimmen [1].

Die politischen Forderungen nach Netzsperren und Vorratsdatenspeicherung von nahezu allen Parteien, trieben mich in die Arme der aufkeimenden Piratenpartei, die mich aufgrund ihrer offenen Strukturen, ihre freiheitlichen Programmatik und der hohen Zahl junger Menschen zunehmend interessierte. Am 23. Mai 2009 trat ich der Piratenpartei Deutschland bei. In ihr fand ich viele meiner teilweise noch sehr unausgereiften Ideen wieder. Aufgrund zweier einmonatiger Aufenthalte in Nepal und den USA, stieß ich nach der Bundestagswahl 2009 erst wieder Ende 2010 zu den Piraten in Halle. Seitdem habe ich mich vielfältig engagiert und eingebracht, was ich im Folgenden kurz umreißen möchte:

Wahlkämpfe

Bundestagswahl 2009

  • Flyern (Bernburg und Plötzkau)

Landtagswahl Sachsen-Anhalt 2011

  • inhaltliche Arbeit (Beantwortung von Wahlprüfsteinen oder Abgeordnetenwatch-Anfragen für unsere Kandidaten)
  • Flyern (Halle und Plötzkau)
  • Kleistern & Plakatieren (Halle, Saalkreis, Bernburg, Eisleben etc.)
  • Organisation

Oberbürgermeisterwahl Halle 2012

  • Fokus auf inhaltliche Arbeit (Wahlprogramm, Wahlprüfsteine, Betreuung der Homepage & Social Media etc.)
  • Organisation
  • Kleistern & Plakatieren

Arbeits-, Projekt- und Servicegruppen

Weiteres Engagement

Parteitage und Piraten-Veranstaltungen (unvollständig)

  • 14./15.05.2011 Bundesparteitag 2011.1 in Heidenheim
  • 30./31. Juli 2011 – 1. Bundespressetreffen in Plankenfels
  • 18. September 2011 – Landesparteitag 2011.1 in Halle
  • 3./4. Dezember 2012 – Bundesparteitag 2011.2 in Offenbach
  • 14./15. April 2012 – MAoAm & Landesparteitag 2012.1 in Magdeburg
  • 1. bis 3. Juni 2012 – 4. Bundespressetreffen in Ilmenau
  • 18./19. August 2012 – „Keinzelfall-Konferenz – Diskriminierung geht uns alle an“ in Berlin
  • 6. Oktober 2012 – Landesparteitag 2012.2 in Magdeburg
  • 3. November 2012 – Symposium 2012.5 LaKoPo in Magdeburg
  • 4. November 2012 – Aufstellungsversammlung/Landesparteitag 2012.2 Thüringen
  • 24./25. November 2012 – Bundesparteitag 2012.2 in Bochum
  • 1./2. Dezember 2012 – 5. Bundespressetreffen der Piraten in Düsseldorf
  • 8. Dezember 2012 – Landespressetreffen („Kick-Off-Meeting“) in Magdeburg
  • 19. Januar 2013 Podiumsdiskussion der BTW-Landeslisten-Kandidat*innen in Coswig
  • 26./27. Januar 2013 Symposium 2013.1 „Kommunikation“ in Halle
  • 20. Februar 2013 Kandidateninterview in Thale

Ämter und Mandate

Ich habe mich zu keiner Zeit innerhalb oder außerhalb der Piratenpartei Deutschland oder ihrer Untergliederungen für ein Amt oder Mandat beworben.

Anträge an Parteitage

Folgende Anträge wurden von mir oder in Zusammenarbeit mit anderen Piraten erarbeitet und bei Parteitagen eingereicht:

BPT2012.2 (alle eingereicht, aber keinen behandelt)

  1. PA020 – Zufällige Reihenfolge der Parteien und Kandidaten auf Wahlstimmzetteln (Wiki, LQFB)
  2. PA022 – Ergänzung des § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung (Taubblindheit/Hörsehbehinderung) (Wiki, LQFB)
  3. PA023 – Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung für intersexuelle Menschen (kurz) (Wiki, LQFB)
  4. PA024 – Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung für intersexuelle Menschen (alle Forderungen) (Wiki, LQFB)
  5. PA299 – Piraten bekennen sich zum Pluralismus des Zusammenlebens (Wiki, LQFB)
  6. PA347 – Deutsche Gebärdensprache als Amts- und Gerichtssprache (Wiki, LQFB)
  7. PA375 – Stärkung der Rechte Prostituierter (Wiki, LQFB)
  8. P003 – Anerkennung und Aufarbeitung der historischen Verantwortung durch den Völkermord an den Herero und Nama (Wiki, LQFB)

LPT2012.1 LSA (Anträge, die eingereicht und angenommen wurden)

  1. WPA 7 – Herabsetzung der 5%-Hürde bzw. Sperrklausel auf 3% (Wiki, LQFB, Protokoll)
  2. WPA 11 – Herabsetzung des aktiven Wahlalters auf 12 Jahre bei Landtagswahlen (Wiki, LQFB, Protokoll)
  3. WPA 18 – Flächendeckendes barrierefreies Notruf- und Informationssystem per Mobilfunk (SMS-Notruf) – (Zielgruppe präzisiert) (Wiki, LQFB, Protokoll)
  4. WPA 22 – Geschlechter- und Familienpolitik (Wiki, LQFB, Protokoll)
  5. WPA 23 – Ablehnung von Fracking (Wiki, LQFB, Protokoll)
  6. WPA 24 – Kulturerhalt und -förderung (inkl. kulturelle Vielfalt vs. Prestigeobjekte) (Wiki, LQFB, Protokoll)
  7. WPA 26 – Aufhebung von §5 FeiertG LSA (Tanzverbot u.a. an Feiertagen)] (Wiki, LQFB, Protokoll)

BPT2011.2 (eingereicht, aber nicht behandelt)

  1. PA072 – Herabsetzung des aktiven Wahlalters auf 12 Jahre bei Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalwahlen (Wiki, LQFB)

Motivation und Verständnis zur Kandidatur

Es ist keine leichte Entscheidung, für das Amt einer/eines Bundestagsabgeordneten zu kandidieren. Dementsprechend gehen dieser Entscheidung einige Monate voraus, in denen ich mich immer wieder der Frage konfrontiert sah, ob für mich eine Kandidatur für ein Mandat in Frage kommen könnte. Der Katalog an Fragen und Abwägungen ist groß. Mit einer Kandidatur gebe ich zum Teil auch meine Freiheit und Ungebundenheit ab und möchte gleichzeitig einen Schnitt machen: politische Verantwortung übernehmen, statt nur zu kritisieren und aufzuklären. Was vorher als Basismitglied immer ein kann, darf oder soll war, wird damit zu einer muss-Aufgabe.

Meine Kandidatur sehe ich als eine zusätzliche Option für unseren Landesverband an. Aussagen meinerseits dazu, ob oder wie geeignet ich bin, stehen mir nicht zu. Letztendlich werde ich daran gemessen, was andere über mich und meine „Qualifikation“ denken. Der Kern meiner Kandidatur ist die Hoffnung, unsere Gesellschaft zum Positiven verändern zu können und mit meiner bescheidenen Erfahrung innerhalb und außerhalb der Partei, diese Prozesse mitzugestalten und in die „richtigen“ Bahnen zu lenken.

Ich möchte von vornherein deutlich machen, dass ich gleich meiner Positionierung auf der Liste, mich nicht über andere Kandidierende stellen möchte. D.h. ich lehne bspw. die Bezeichnungen „Spitzenkandidat(en)“ oder „Doppelspitze“ für mich persönlich ab. Weiterhin möchte ich weder von Interview zu Interview, noch von Podiumsdiskussion zu Podiumsdiskussion delegiert werden. Stattdessen möchte ich mit den anderen Kandidierenden ein Team bilden, welches keine Alleinvertretungsansprüche geltend macht, sondern auch für die Öffentlichkeitsarbeit geeignete Basispiraten mit einbezieht.

Wir müssen reden – über Privilegien und Diskriminierung

Ich bin in Deutschland geboren, männlich und weiß, führe eine „monogame“ heterosexuelle Beziehung, habe keine Behinderung und bin Atheist. Mir ist bewusst, dass ich damit in unserer Gesellschaft extrem privilegiert bin und dadurch die Erfahrungen struktureller (Alltags-)Diskriminierung kaum am eigenen Leib erfahren habe und erfahre. Aus dieser Form der Privilegierung erwächst aber auch eine hohe Verantwortung gegenüber den Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft oder Sexualität, ihres Geschlechts oder Alters, ihrer körperlichen und geistigen Eigenschaften o.ä. täglich diskriminiert werden. Ich werde versuchen, meine gesellschaftliche Rolle immer wieder zu hinterfragen, damit ich nicht durch sie „erblinde“.

Je besser ich die Abläufe politischer Entscheidungsprozesse kennenlerne, umso mehr kristallisiert sich für mich heraus, dass in den meisten Fällen Politik für Betroffene gemacht wird, nicht jedoch von und mit ihnen. Meine Vision ist es, selbst denen eine Stimme zu verleihen, die bereits aufgegeben haben, diese einzufordern oder von vornherein von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden.

Ich werde mich einsetzen für die Chancengleichheit und Teilhabe aller Menschen, den Abbau von struktureller und institutioneller Diskriminierung, einer inklusiven und barriere„freien“ Gesellschaft. Eine Gleichbehandlung aller Menschen darf nicht aufgrund ihrer Herkunft, ihren geschlechtlichen und sexuellen Identität, ihres sozialen Status, ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Beschaffenheit, ihrer Religion etc. in Frage gestellt werden. In diesem Kontext habe ich am 10. April 2012 die Unvereinbarkeitserklärung (inspiriert durch den CCC und einen offenen Brief der Jungen Piraten) unterzeichnet [2].

Wie ich mir meine Arbeit vorstelle

Als Kandidat für den Deutschen Bundestag, werde ich zum Delegierten gewählt. Diese Delegation bezieht verschiedenste Gruppen ein. Zum einen wählen mich die Mitglieder des Landesverbandes Sachsen-Anhalt und ich vertrete explizit unsere landespolitische Position auf Bundesebene innerhalb der Piratenpartei. Die Wähler_innen in Sachsen-Anhalt delegieren mich, um die landespolitische Position im Bundestag zu vertreten. Weiterhin vertrete ich aber auch die Piratenpartei Deutschland als gesamte Partei und alle Wähler_innen der PIRATEN in ganz Deutschland. Als Bundestagsabgeordneter steht am Ende die Verantwortung für alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland Politik zu gestalten. All diese vielfältigen Interessen, müssen ihren Platz finden. Diese Aufgabe kann ich daher nur mit einer guten Unterstützung auf allen Ebenen bewältigen. Die Basisarbeit für die Bundespolitik ist daher nicht nur durch die Bundespartei notwendig, sondern auch durch die Piraten des Landesverbandes, zu denen ich weiterhin einen sehr engen Kontakt pflegen möchte.

Die Prioritäten meiner politischen Zielsetzung stelle ich mir mit absteigender Relevanz vor:

  1. Umsetzung der Inhalte des Wahlprogramms zur Bundestagswahl 2013
  2. Gesetzgebungsprozesse und parlamentarische Kontrolle orientierend am Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland, den UN-Konventionen [3] und (E-)Petitionen
  3. Positionspapiere und liquid-demokratische Meinungsbilder innerhalb der Piratenpartei einzubeziehen
  4. Landesthemen der PIRATEN Sachsen-Anhalt nach Möglichkeiten auf Bundesebene und im Bundestag vertreten
  5. Positionspapiere und politische Forderungen von Interessensverbänden im Bereich Menschen- und Bürgerrechte einbeziehen
  6. Einbringen persönlicher Themenschwerpunkte (siehe dazu den Abschnitt Wofür ich mich ganz besonders einsetzen werde)

[3] Dazu gehören bspw. die UN-Konventionen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, für die Rechte der Kinder, gegen Korruption, oder gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.

Ich setze mich für eine bestmögliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit der politischen Entscheidungen innerhalb PIRATEN-Fraktion und der Gremien und Ausschüsse des Bundestages ein. Dabei werde ich die technischen Möglichkeiten nach bestem Wissen und Gewissen einfordern, um basisdemokratische und liquid-demokratische Mittel zu nutzen, um die Arbeit insbesondere in den Ausschüssen nach außen zu kommunizieren und von außen beeinflussbar zu machen (z.B. mithilfe von Liquid Feedback).

Ich werde von dem sog. freien Mandat [4] Gebrauch machen und lehne einen Fraktionszwang [5] ab. Nichtsdestotrotz ist es meine innere Verpflichtung, mich an die Grundsätze und Werte der Piratenpartei Deutschland zu halten und diese mit bestem Wissen und Gewissen zu verteidigen und umzusetzen.

Meine Stärken, Schwächen und Zweifel

Ich bin jung und idealistisch, d.h. ich glaube noch daran, dass wir die Welt zu etwas Besserem verändern können. Aufgrund meiner politischen Unerfahrenheit, kann ich nur erahnen, wie der politische Alltag im Bundestag vonstatten geht. Ich möchte mich im Vorfeld so intensiv wie möglich auf die kommenden Aufgaben vorbereiten und dabei insbesondere die langweiligen, nervenaufreibenden und frustrierenden Aspekte dieses Jobs kennenlernen. Nur so kann ich gewährleisten, dass ich die von Beginn an an mich gestellten Aufgaben schnell umsetzen kann. Sie werden innerhalb von vier Jahren im Bundestag einen Vollzeitjob darstellen, der vermutlich keinen Feierabend kennt. Die selbstbewussten, bunt zusammengewürfelten Charaktere der PIRATEN-Fraktion werden ihr Übriges tun und eine skandalträchtige Selbstfindung der Gruppe(n) wird vermutlich nicht ausbleiben (man denke nur an die erste Fraktionssitzung der Piraten in Berlin). Ich möchte dazu beitragen der Piratenpartei Deutschland das Profil einer sozialliberalen Bürgerrechtspartei zu geben, wie es noch bei keiner anderen Partei zu finden war. Dazu möchte ich meine persönlichen Erfahrungen und Fähigkeiten einbringen, die ich insbesondere im Laufe meines Studiums und in der Partei gesammelt und erlernt habe.

Ich kenne meine Schwächen bzw. denke, dass ich ganz gut reflektieren kann, wann und wo ich an meine Grenzen stoße. Das betrifft sowohl mein Wissen zu politischen Themen, als auch die alltägliche Kommunikation (an der ich seit Jahren arbeite, um sie weniger verletzend zu gestalten). Ich habe keine Angst davor um Hilfe zu bitten, Fragen zu stellen oder Unwissenheit vor Anderen zuzugeben. Diese Eigenschaft halte ich für wichtig und sie ist notwendig, um solch eine moderne und vielfältige Partei vertreten zu können. Zu den Menschen versuche ich stets ehrlich, aber auch direkt zu sein. In (politischen) Diskussionen ergreife ich gerne einmal das Zepter, wenn ich im Thema eingearbeitet bin. Ich versuche dabei Schwachstellen (sowohl bei mir als auch den anderen Meinungen) herauszukristallisieren, meine eigenen Ansichten und Thesen immer wieder zu überprüfen und schlussendlich Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Bisher gehöre ich zur Basis. Als Basismitglied habe ich jederzeit die Möglichkeit, mich völlig frei zu entfalten, aber auch jederzeit zurückzuziehen. Dieser Spielraum wird wegfallen. Die Verantwortungen, die ich übernommen habe, waren meist an Freiwilligkeit und Eigenengagement gebunden. Der Privilegierung als Bundestagsabgeordneter steht gleichzeitig die hohe Verantwortung gegenüber. Als Mandatsträger stehe ich vor der Aufgabe parlamentarische Arbeit in vielfältigen Themenbereichen und Gremien zu leisten und verschiedenste Positionen einnehmen zu müssen. Als Vertretung verschiedener Wähler_innengruppen innerhalb und außerhalb der Piratenpartei, müssen diese teilweise konträren politischen Sichtweisen und Forderungen nachvollziehbar erarbeitet, kommuniziert und umgesetzt werden. Der Einfluss auf meine politischen Entscheidungen werde ich dabei so transparent wie möglich zu gestalten.

Sich auf ein Mandat zu bewerben, stellt mich auch vor die Entscheidung, wie ich meine zukünftigen Arbeitslebenslauf gestalte. Nach einem längerem Studium und wenig Erfahrungen in der Arbeitswelt, werden vier Jahre parlamentarischer Arbeit nur bedingt meine Qualifikationen und Berufschancen aufbessern [6]. Weder kann ich auf eine Stelle im öffentlichen Dienst, noch auf berufliche Praxiserfahrung vor und während des Mandates zurückgreifen. Eine Antwort auf die vielen Fragen diesbezüglich, bleibe ich daher leider schuldig. Eine negative Auswirkung auf meine Kandidatur und politische Arbeit kann und darf dies allerdings nicht bedeuten.

[6] Siehe dazu die Studie: Kreiner, Maria (2005): Amt auf Zeit. Eine Verbleibsstudie über ehemalige Bundestagsabgeordnete. Oldenburg. (Zusammenfassung: http://www.presse.uni-oldenburg.de/f-aktuell/21777.html)

Wofür ich mich ganz besonders einsetzen werden

(zufällige Reihenfolge; offene Liste)

  • ein inklusives Bildungssystem als Grundlage für eine zukünftige inklusive, barrierefreie und diskriminierungsfreie Gesellschaft
  • eine Entbürokratisierung, insbesondere in den Bereichen soziale Sicherungssysteme, Bildung, Gesundheit etc., soweit es sinnvoll gestaltet werden kann; ein bedingungsloses Grundeinkommen unterstütze ich als langfristiges Ziel, bis dahin unterstütze ich andere Konzepte wie z.B. ein bedingungsloses Kindergeld oder BAföG bzw. verbindliche Mindestlöhne
  • den Ausbau der sozialen, kulturellen und politischen Mitbestimmungs- und Teilhabemöglichkeiten für alle Menschen (Stichwort: inklusives, Kinder- und Ausländerwahlrecht, Jugendparlamente, direkte und liquide Demokratie etc.)
  • die Förderung des barrierefreien und kostenlosen Zugangs zu wissenschaftlichen Publikationen (Open Access, Open Data) und amtlichen Texten (Stichworte: Leichte Sprache, Mehrsprachigkeit, Gemeinfreiheit etc.)
  • die Offenlegung des Einflusses von Lobby-Organisationen und Ratifizierung (Umsetzung) der UN-Konvention gegen Korruption
  • die Stärkung des Verbraucherschutzes sowie des fairen und ökologischen Handels und Anbaus; mehr Transparenz für Konsument_innen, woher Produkte kommen und unter welchen Umständen sie hergestellt bzw. angebaut wurden
  • eine moderne Geschlechterpolitik: echte Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt; Stärkung der Rechte von transsexuellen und intersexuellen Menschen sowie Transgendern etc.; rechtliche Gleichstellung aller Lebenspartnerschaften (inkl. der Ehe) gleich der geschlechtlichen Zusammensetzung oder Anzahl
  • einen Abbau der staatlichen Überwachung und des Handels personenbezogener Daten
  • gleiche Chancen und Rechte für Migrant_innen und Stärkung der Rechte für Asylsuchende

Wir müssen reden – über Geld

Als Bundestagsabgeordnete_r übernimmt man in vielerlei Hinsicht eine hohe Verantwortung. Eine davon sind die hohen Bezüge, die direkt durch die Steuerzahler_innen finanziert werden und die die politische Unabhängigkeit gewährleisten sollen. Ich werde alle Einnahmen und Ausgaben veröffentlichen, die die Aufgaben des Mandates oder meine politische Willensbildung betreffen oder beeinflussen. Am 9. Oktober 2012 unterzeichnete ich in diesem Zusammenhang als Basispirat die freiwillige Selbstverpflichtung „Gläserner Abgeordneter“ [7]. Damit verpflichte ich mich für eine sorgfältige und transparente Verwendung der Abgeordnetenbezüge. Ich werde sie primär zur Gewährleistung einer bestmöglichen parlamentarischen Arbeit benutzen.

Einen Teil der Bezüge werde ich zur parteiinternen Finanzierung verwenden (Projekte, Wahlkämpfe, Materialien, Parteiveranstaltungen etc.), einen anderen für soziale, kulturelle und wissenschaftliche Projekte (lokal und regional, Crowdfunding-Projekte wie z.B. auf www.respekt.net, www.betterplace.org etc.). Der Idee einer regelmäßigen Abstimmung zur Verteilung eines vorher festgelegten Spendenbetrages stehe ich positiv gegenüber.

Weiterhin möchte ich prüfen, ob es möglich ist, Filme, deren Urheberrechte abgelaufen sind, für einen bezahlbaren Preis zu digitalisieren und damit gemeinfrei zur Verfügung zu stellen (ähnlich dem Projekt archive.org). Ich kann mir vorstellen, dahingehend weitere eigene finanzielle Mittel aufzuwenden.

Eine grundsätzliche Aussage über den finanziellen Rahmen kann ich nur bedingt machen. Allerdings sind die Bezüge hoch und Vergütungen sowieso Vergünstigungen gibt es viele [8]. Gegenüber der Gegenwart als Student, würde mir aber ein Vielfaches meiner jetzigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.

Was mit mir nicht passieren wird

(Achtung: Kann Spuren von Ironie und Insidern enthalten!)

Meine persönlichen Ziele im Überblick

  1. Ich möchte das Programm der Piratenpartei Deutschland so gut wie möglich in die Tat umsetzen und in die politischen Debatten einbringen.
  2. Ich möchte Menschen- und Bürger_innenrechte stärken und weiterentwickeln.
  3. Ich möchte gesellschaftliche Diskriminierung und Barrieren abbauen.
  4. Ich möchte eine Politik vertreten, die insbesondere die Betroffenen mit einbezieht und Barrieren zur politischen Teilhabe abbaut.
  5. Ich möchte die technischen Mittel und Erkenntnisse der PIRATEN nutzen, um die direkte und liquide Demokratie innerhalb und außerhalb von Parlamenten weiterzuentwickeln.

Abschlusszitat

„[…] eine Partei erlangt nur Glaubwürdigkeit, wenn ihre Vertreter beweisen, dass man das Wahlprogramm auch leben kann.“ [9]

„Vorsprung durch Technik. Über die Piratenpartei“

„Vorsprung durch Technik“, so hieß ein Vortrag letzte Woche vom Bahamas-Redakteur Sören Pünjer, welcher von der AG Antifa der MLU Halle-Wittenberg organisiert wurde. Ich möchte hier meine persönlichen Eindrücke des Vortrages darstellen und auf einige Thesen des Referenten eingehen.

Das Referat bzw. die Argumentation selbst war in sich nicht wirklich konsistent. Pünjer zitiert mal einen FOCUS-Artikel, mal einen Wahlprogrammpunkt aus dem Jahre 2010, der mittlerweile nicht mehr existiert oder eine Neu-Piratin ohne eine Quellenangabe ihrer Aussagen zu nennen. Danach wusste er meist ein Zitat von Theodor W. Adorno, Sigmund Freud etc. einzuwerfen, um dann nochmal über Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ oder George Orwells „1984“ zu philosophieren. Am Ende folgte immer eine generalisierte Aussage über die Piratenpartei, ohne sie wirklich belegen zu können. Lediglich seine willkürlich eingestreuten Quellen sollten seine Thesen untermauern. Symbolisch steht dabei seine Aussage über „das“ Video der Gruppe Anonymous zu ACTA. Ein Beweis, dass er die Dezentralität dieses losen Zusammenschlusses von Internetaktivist_innen nicht verstanden hat.

Seine Hauptkritik bestand darin, die Piraten als softwaregläubig darzustellen, indem wir unsere Politik durch unser Meinungsfindungstool „Liquid Feedback“ erarbeiten. Kein Wort dazu, dass es die Piraten sind, die dieses Tool nach ihren Wünschen gestalten, dass es legidlich zur Meinungsfindung dient und immer einen Parteitag brauch, um Themen in ein Programm aufzunehmen. Liquid Feedback ist nicht bindend, doch davon kein Wort des Referenten.

In diesem Kontext argumentiert Pünjer, die Kommunikation von Piraten würde nur noch über Facebook und Twitter ablaufen. Dabei zeigt sich, dass er auch diesmal sich kaum mit den Strukturen der Piraten beschäftigt zu haben scheint. Parteiintern nutzen wir Mailinglisten, Mumble (ähnlich wie Skype), die Piratenpads genau so wie Stammtische, Arbeitstreffen , Podiumsdiskussionen etc. Der Hinweis, sich nicht rein auf virtuelle Kommunikation zu verlassen (fehlende Emotionen etc.) ist wichtig, aber auch keine Neuigkeit für die Piraten.

Auch das Thema „Post-Gender“ möchte ich noch einmal ansprechen. Er wirft uns vor stark männlich geprägt zu sein, ohne seine eigene „Szene“ der Antideutschen selbst zu reflektieren. Die Piratenpartei ist nicht post-gender, sondern sie sieht es als Ideal an. Ein Zweigeschlechtersystem, in dem lediglich Männer und Frauen existieren bzw. eine rechtliche Stellung besitzen, lehnen wir ab. Die Verankerung dieser Vorstellung in den Köpfen können wir aber nicht von heute auf morgen abschaffen. So sind Piraten auch gegen eine Frauenquote, weil sie die Dichotomie Mann – Frau verstärkt und nicht durchbricht. Forderungen nach Quoten für Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle oder andere Geschlechtsidentitäten existieren in der Politik nicht.

Pünjer scheint große Probleme mit der Basisdemokratie zu haben. Er verweist relativ unspezifisch auf die Geschichte, lässt aber genaueres außen vor. Mir kam sofort das Bild eines Stadtarchivs in Nienburg (Saale) auf, in dem ich Akten las, die eine über 80%-ige Wahlbeteiligung um 1930/34 herum aufwiesen. Ist das seine Angst vor der „Tyrannei der Massen„, wie es FDP-Generalsekretär Patrick Döring so schön formulierte? Ich gestehe, dass wir Piraten eine sehr optimistische Herangehensweise an die (Basis-)Demokratie haben, indem wir von einem positiven Menschenbild und einer gewissen Informiertheit der Bürger_innen ausgehen. Warum bspw. Minderheitenschutz und Basisdemokratie nicht miteinander vereinbar sein sollen, lassen sowohl Pünjer, als auch andere Kritiker_innen unbeantwortet. Gleichzeitig wehrt sich Pünjer sogar dagegen, dass sich Menschen nicht als Individuum, sondern als Gruppierungen politisch vertreten (lassen). Auf die Frage, wie denn seine Form der Demokratie aussehen würde, antwortete er kryptisch, dass sich Menschen nur als Individuum vertreten sollten und niemand mehr für Minderheiten und/oder Mehrheiten. Dabei bleibt unklar, ob Pünjer sich mit seiner Forderung noch innerhalb eines demokratischen Systems (z.B. durch Wahlen des Volkes) bewegt, oder ob er damit eher staatliche Strukturen ablehnt (z.B. Anarchismus). Nicht zuletzt stellt sich mir die Frage, inwiefern sich die Individuen einer Gesellschaft, in der die Identifikation zueinander (Wir – Andere) wohl schon immer existierte, überhaupt nur für ihre individuellen Bedürfnisse einsetzen würde. Eltern werden für die Rechte ihrer Kinder eintreten, Religionsgruppen für ihre Gläubigen etc.

Viele Fragen blieben mir unbeantwortet und zeugten davon, dass es dem Referenten nicht um eine konstruktive Diskussion ging. Als ein Pirat ihm das Angebot unterbreitete, in Dialog mit den Piraten zu treten, um seine Bedenken zu diskutieren, antwortete er mit „Das nehme ich zur Kenntnis“. Auf die Frage, ob er seine Thesen in Gesprächen mit Piraten einmal überprüft habe bzw. mit wievielen er sich schon unterhalten hat, gab er zu, dass seine Primärquellen verschiedene Onlinemedien der Presse und der Piraten war. An einem Dialog scheint Sören Pünjer als nur bedingt interessiert zu sein.

Crossposting auf der PiratenHalle-Seite

Die „Genderproblemlösungsstrategie“ oder „Wieso überhaupt gendergerechte Sprache?“

Nach einem Posting auf einer Mailingliste, in der die „Genderproblemlösungsstrategie“ in Form des Mozilla Firefox  bzw. Google Chrome Addons Binnen-I be gone gepostet wurde, hab ich mich dazu hinreißen lassen, mal etwas mehr dazu zu schreiben:

Ich finds immer wieder traurig, wie unsachlich sich manche hinsichtlich des Genders äußern. Ich möchte mal alle männlichen Kritiker sehen, die aufheulen würden, wenn man sie Kritikerinnen bezeichnet. Aber stimmt, Frauen sind ja so bevorzugt in unserer Gesellschaft, warum sollten wir sie überhaupt mitnennen (nennt sich übrigens generisches Maskulinum, was sprachwissenschaftlich auch sehr umstritten ist).

Und dann noch der Ausschluss von Menschen, die sich nicht einem der beiden Geschlechter zuordnen lassen wollen. Unser zweigeschlechtliches Wertesystem ist aufgrund biologistischer Theoreme entworfen wurden, die bei genauer Betrachtung dieses auch nicht stützt (siehe dazu bspw. den Vortrag eines Biologen über die Konstruktion des biologischen Geschlechts). Die Biologie und Medizin kennt Intersexualität (Zwitter) in verschiedensten Ausprägungen und die Ethnologie hat viele Beispiele parat von Gesellschaften, die nicht auf lediglich zwei Geschlechter aufbaut. Letztendlich ist Sprache in sozialwissenschaftlichen Theorien eine Form der Herstellung und Reproduktion von Macht, Hierarchien und Ungleichheiten. Wenn ich Menschen sprachlich unterteile, stecke ich sie Kategorien, d.h. nicht sie sind diejenigen, die über ihre Geschlechteridentität die Definitionshoheit haben, sondern andere. Der deutsche Staat erhebt nur zwei Geschlechter bei Menschen. D.h. sich als intersexuell, transsexuell, transgender oder sonstewas zu definieren ist zwar erlaubt, wird aber vom Staat dahingehend nicht anerkannt. Männer müssen sich nicht rechtfertigen, wieso sie als Mann bezeichnet werden wollen, aber Transfrauen müssen sich rechtfertigen, warum sie als „geborener Mann“ nun als Frau verstanden werden will. Nur mal ein Fun Fact, bis 2011 mussten sich gesunde Transsexuelle die keine Geschlechtsangleichung gemacht haben sterilisieren lassen! Aber das interessiert ja keinen, der keine Geschlechter“störung“ (es als Krankheit darzustellen zeigt, dass ein gesellschaftliches Stigma herrscht, wie bis in die 60er Jahre bei Homosexualität) besitzt.
Sprache bedeutet Einschluss oder Ausschluss und jede_r kann entscheiden, ob ihr/sein „literarisches Auge“ mehr geschädigt wird, als es für sinnvoll erachtet wird nicht nur von (männlichen) Politikern oder im nächsten Schritt zusätzlich von weiblichen Politikerinnen zu sprechen, sondern vielleicht eine eine gänge Methode zu nutzen, um auch Menschen einzubeziehen, die sich nicht einer dieser beiden Kategorien zuweisen lassen wollen (Politiker_innen, Politiker*innen, PolitikerInnen etc.).

Wir alle wissen welche Macht Sprache besitzt und wir benutzen sie täglich, um alle Menschen um uns herum zu „manipulieren“ (das ist das, was Kommunikation immer macht). Wir können entscheiden, wie wir unsere gesellschaftliche Realität hin manipulieren wollen. Ob wir Inklusion oder Exklusion wollen. Und häufig sind wir uns solchen Dingen nicht bewusst, weil wir nie in solch eine Situation kommen ausgeschlossen zu werden, bspw. als Frau die weil sie eine Frau ist keine Führungsposition bekommt, als Kind das von Wahlen ausgeschlossen wird, als Gehörlose_r der/die keine Untertitel in öffentlich-rechtlichem Fernsehen trotz GEZ-Gebühren ab dem Jahr 2013 bekommt, als Blinde_r dem/der öffentliche Informationen nicht barrierefrei zur Verfügung gestellt werden oder als Rollstuhlfahrer_in, für den/die es keine Rampe gibt.

Es ist wichtig darüber zu diskutieren, ob und warum wir ALG-II-Bezieher_innen nicht Hartz-4-er , Migrant_innen nicht Ausländer, Menschen mit körperlicher Behinderung nicht Krüppel oder Invalide („Wertlose“) bzw. Menschen mit „geistiger Behinderung“ nicht Irre, Schwachsinnige oder Geisteskranke genannt werden sollten. Und wenn, dann sollten nur sie sich so nennen dürfen (Emanzipation, Empowerment, Selbstbestimmung etc.).

Sprache ist einer unserer stärksten Machtmittel überhaupt.

Links zu Geschlecht, Sexualität und Sprache (Juli 2011)

Über Homophobie im Dancehall & Reggae und dem Bounty Killer Konzert in Berlin auf indymedia

Über Sprache, Geschlechter und Berufe auf Wissenslogs

Über Intersexualität und die WM 2011 auf zwischengeschlecht

Über „geschlechtsangeleichende Operationen“ an Intersexuellen und „Genitalverstümmelungen“ in Nordafrika und dere Wahrnehmung auf zwischengeschlecht

Österreichs Nationalhymne, Gender und Urheberrecht

Im Januar 2012 soll eine Neufassung der österreichischen Bundeshymne in Kraft treten. Es geht um die 1. Strophe:

Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äcker, Land der Dome,
Land der Hämmer, zukunftsreich!
Heimat bist du großer Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich,
Vielgerühmtes Österreich.

 

Die Sängerin Christina Stürmer hatte im Jahr 2010 den Song verändert, indem sie (aus der oben hervorgehobenen) Zeile „Heimat bist du großer Söhne und Töchter“ machte. Daraufhin zogen die Erben von Paula Preradovićs, deren Lied 1946 von einer Jury zur Nationalhymne erhoben wurde, vor Gericht, um diese Veränderung an dem Lied anzufechten. Letztlich wurde die Klage abgewiesen, da laut der Richterin die Urheberrechte auf den Staat übergegangen sind und das Oberlandesgericht Wien zum anderen die Veränderung der Strophe als zeitgemäßes gesellschaftspolitisches Anliegen verteidigte.

Die ehemalige Frauenministern hat nun nach reichlicher „Kritik“ einiger männlichen Kollegen durchsetzen können, dass die Strophe vermutlich in ähnlicher Form wie der Christina Stürmers umgeschrieben wird. Ein gutes Zeichen für die Gleichberechtigung von Frauen ist es zumindest, schließlich stellt nicht nur der Ausschluss einer Gruppe eine Form von Diskriminierung dar, sondern auch die bewusste Nicht-Benennung einer solchen. Dass eine Nationalhymne allein auf eine männlich geprägte Kulturgeschichte verweist, wird der Rolle der Frauen in der österreichischen Geschichte nicht gerecht (um es mal freundlich auszudrücken).

Die Strophe könnte womöglich in „Heimat großer Töchter, Söhne“ oder „Heimat großer Töchter und Söhne“ (Hörbeispiel ab 1:30 min im Stream bzw. Direktlink zur MP3/OGG). Eine Kommission aus u.a. Musik- und SprachwissenschaftlerInnen wird sich dieser Frage in den nächsten Monaten widmen.

Update: Auf Wissenlogs ist dazu ein interessanter Beitrag gebloggt wurden, der auch kurz auf die deutsche Hymne eingeht oder das Ersetzen von „Söhne und Töchter“ durch „Menschen“ (alternativ dazu vielleicht auch „Kinder“?) vorschlägt.